Das Völkerrecht und das System der Vereinten Nationen können auch von der Zivilgesellschaft für ihre Ziele genutzt werden

Twitter icon
Facebook icon
Google icon
e-mail icon

Schattenberichte und öffentlicher Druck

Foto: Kinder im Kongo, die Red Hand Day am 12. Februar zelebrieren, wenn Menschen in der ganzen Welt die Regierungen aufrufen, in Sachen Kindersoldaten zu handeln (Quelle – Coalition to Stop the Use of Child Soldiers – Koalition, um das Nutzen von Kindersoldaten zu beenden)

Ralf Willinger

Menschenrechtsorganisationen nutzen seit einigen Jahren verstärkt das Völkerrecht und das System der Vereinten Nationen, um Menschenrechtsverletzungen publik zu machen und Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Auch die Friedensbewegung kann diese Mechanismen für ihre Anliegen nutzen. Ein Beispiel aus dem Völkerrecht ist die UN-Kinderrechtskonvention, ein anderes Beispiel ist der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. In beiden Fällen gibt es Berichtsverfahren zur Kontrolle der Einhaltung der entsprechenden Rechte, in denen eine Beteiligung der Zivilgesellschaft explizit vorgesehen ist.

Mehrere Artikel der UN-Kinderrechtskonvention sind für das Thema „Militarisierung der Jugend“ relevant , z.B. Artikel 19 (Schutz vor Gewalt), Artikel 29 (Bildungsziele, darunter Friedensbildung) oder auch das Grundprinzip der Kinderrechtskonvention aus Artikel 3, dass grundsätzlich das Wohl des Kindes Vorrang haben muss vor anderen Interessen, auch vor staatlichen Interessen wie der Rekrutierung von Nachwuchs für die staatliche Armee. Außerdem legt das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention für Kinder in bewaffneten Konflikten, das von mehr als 150 Staaten ratifiziert wurde, fest, wie man vom Krieg betroffene Kinder schützen muss.

1. Staatenberichtsverfahren zur UN-Kinderrechtskonvention

Die 193 Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention (das sind alle Staaten weltweit außer den USA und Somalia) müssen etwa alle 5 Jahre darüber berichten, wie sie ihre Verpflichtungen aus der Konvention und ihren Zusatzprotokollen einhalten. Sie müssen dazu einen sogenannten Staatenbericht abgeben, der öffentlich gemacht wird. Daraufhin haben zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs) und Personen die Gelegenheit, in einem (oder mehreren) eigenen Berichten und Dokumenten (Fallbeispiele, Filme, Gutachten, etc.) auf Defizite hinzuweisen (sogenannte Schattenberichte oder Alternativberichte).

Sowohl die Regierungen als auch die sich beteiligenden Organisationen werden dann meist zu getrennten mündlichen Anhörungen nach Genf vor den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes eingeladen. Dort (oder auch auf schriftlichem Wege) fragt der Ausschuss nach, fordert ggf. weitere Zahlen, Fallbeispiele oder andere Dokumente an und versucht sich ein möglichst gutes Bild von der Kinderrechtslage in dem betreffenden Land zu machen.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ist ein Gremium mit unabhängigen, nichtstaatlichen Experten aus 18 Ländern, oft Wissenschaftler, NGO-Vertreter oder andere Experten zum Thema Kinderrechte. Am Ende des Berichtsverfahrens veröffentlicht der UN-Ausschuss seine Concluding Observations (Abschließende Beobachtungen). Das sind Empfehlungen an den Vertragsstaat, wie er die Kinderrechte künftig besser umsetzen sollte. In der nächsten Runde des Berichtsverfahrens ungefähr fünf Jahre später muss dieser Staat dann Rechenschaft ablegen, wie er diese Empfehlungen umgesetzt hat.

Ein konkretes Beispiel, wie NGOs diese Staatenberichtsverfahren nutzen können um sich gegen die Militarisierung der Jugend einzusetzen, ist der sogenannte Schattenbericht Kindersoldaten für Deutschland. terre des hommes hat gemeinsam mit der Kindernothilfe und weiteren Kinderrechts- und Entwicklungsorganisationen drei sogenannte Schattenberichte Kindersoldaten herausgegeben, in 2007, 2011 und 2013. Diese Schattenberichte wurden innerhalb des deutschen Staatenberichtsverfahrens an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf übergeben. Sie wurden vom Rechtswissenschaftler Dr. Hendrik Cremer verfasst und analysieren, wie Deutschland seine Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention und dem Zusatzprotokoll betreffend Kinder in bewaffneten Konflikten einhält.

Im Jahr 2008, nach Abschluss des letzten Berichtsverfahrens zu diesem Zusatzprotokoll, empfahl der UN-Ausschuss Deutschland unter anderem, das Rekrutierungsalter für die Bundeswehr auf 18 Jahre anzuheben, die Rechte von Flüchtlingskindern einzuhalten und „ein spezielles Verbot für den Verkauf von Waffen einzuführen, wenn das Bestimmungsland ein Land ist, in dem Kinder bekanntermaßen - oder möglicherweise - zum Militärdienst rekrutiert werden oder bei Feindseligkeiten zum Einsatz kommen. “ 1.

Auch wenn diese Empfehlungen des UN-Ausschusses und der Schattenbericht Kindersoldaten 2007 mehrfach im Bundestag und Regierungskreisen diskutiert wurde, so wurde doch bisher kaum etwas davon umgesetzt. Die Zivilgesellschaft ist deshalb weiter aktiv: Der Schattenbericht Kindersoldaten 2011 und das Update 2013 thematisieren schwerpunktmäßig die Themen Bundeswehrrekrutierung und –werbung von Minderjährigen (z.B. Werbung an Schulen, in Jugendmedien, auf Messen, in Arbeitsämtern, etc.), Flüchtlingskinder und Waffenexporte.

Die mündlichen Anhörungen im aktuellen Staatenberichtsverfahren zu Deutschland werden bis Anfang 2014 stattgefunden haben, anschließend werden dann die Concluding Observations des UN-Ausschusses erwartet. Doch auch schon vorher wurden die Kritikpunkte des Schattenberichts und die mangelhafte Umsetzung der Empfehlungen des UN-Ausschusses durch Deutschland breit diskutiert. Da die Schattenberichte mit dem Völkerrecht und mit UN-Empfehlungen argumentieren und im Rahmen des UN-Menschenrechtssystems erstellt werden, ist ihre Wirkung auf Medien und Politik relativ groß.

Außerdem protestiert die Zivilgesellschaft mit Kampagnen wie der „Aktion Rote Hand“, „Schulfrei für die Bundeswehr“, „Jetzt erst Rechte für Flüchtlingskinder“ oder der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ gegen die Missstände. Der Druck auf die Bundesregierung, die Empfehlungen des UN-Ausschusses umzusetzen, steigt damit weiter an.

2. UPR-Verfahren im UN-Menschenrechtsrat

Und auch innerhalb des sogenannten UPR-Verfahrens (Universal Periodic Review) des UN-Menschenrechtsrates gibt es ähnliche Möglichkeiten, Kritik zu platzieren. So können NGOs ihre Berichte direkt an den Menschenrechtsrat senden. Die Mitgliedsstaaten des Menschenrechtsrates sind hier diejenigen, die ggf. die Kritik aus den Berichten aufgreifen und im Menschenrechtsrat zur Sprache bringen. Auch dieses Verfahren kann Druck auf die entsprechende Regierung ausüben und so möglicherweise zu Verbesserungen der Menschenrechtslage im Land führen.

Fazit: Gerade für die Friedensbewegung wichtige Themen wie Waffenexporte, Rekrutierungspolitik, Militärpropaganda, Kriegsdienstverweigerung und weitere können in den beiden vorgestellten UN-Berichtsverfahren thematisiert werden. Damit bieten sich hier auf nationaler und internationaler Ebene gute Hebel für die politische Lobbyarbeit und zur Erhöhung des öffentlichen Drucks. Wenn dieser dann noch durch Protestaktionen der Zivilgesellschaft unterstützt wird, wird es für Regierungen schwer, die Kritik zu ignorieren. In irgendeiner Form müssen sie reagieren und Fortschritte vorweisen.

Ein positives Beispiel dafür: Aufgrund der Appelle der Vereinten Nationen und der Zivilgesellschaft haben in den letzten Jahren viele Staaten das Rekrutierungsalter für Soldaten der staatlichen Armee auf 18 Jahre angehoben, beispielsweise Südafrika, Nepal, Italien, Spanien und Polen

1. Quelle: „Concluding Observations: Germany“ of the UN-Committee on the Rights of the Child, 1.2.2008

http://www.wri-irg.org/de/node/23461

Geographic terms: 

Related content